Quantcast
Channel: Comments on: Es geht eben doch: Nochmals zur ersten Vorlage des Conseil Constitutionnel an den EuGH
Viewing all articles
Browse latest Browse all 42

Von: Franz Mayer und Maja Walter

$
0
0

Trollalarm auf dem Verfassungsblog!

Zu den Argumenten gerne noch etwas Nachhilfe:
Es kommt für die Vorlage an den Gerichtshof im Kern auf Auslegungs- bzw. Gültigkeitszweifel und auf die Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf eine europarechtliche Frage an. Da gibt es aber durchaus Spielräume. Natürlich kann man wie in der Vergangenheit gerade in Frankreich (Conseil d’Etat) unternommen mit einem angeblichen „acte clair“ versuchen, die Vorlage zu vermeiden: wenn man behauptet, man bekomme die Auslegung auch selber hin. Dazu hat der EuGH aber in der Rs. CILFIT, deren Maßstäbe nach wie vor gelten, strenge Kriterien formuliert, von denen das BVerfG nicht spricht.

Dass es Spielräume gibt, das zeigen wir mit dem französischen Beispiel: Es wäre für den Conseil constitutionnel ein leichtes gewesen, sich auf die Sonderstellung, auf die kurzen Verfahrensabläufe und auf die fachgerichtliche Vorlagepflicht und -praxis zurückzuziehen. Der CC hat es nicht getan, das wird von uns und von der weit überwiegenden Zahl der französischen Kommentatoren, über die unser Beitrag informiert, als verfassungspolitische Aussage gedeutet. Und genauso lässt sich die bisher auf der Ebene von Absichtsbekundungen verharrende Vorlage(un)willigkeit des BVerfG bewerten: als verfassungspolitische Aussage.
Die aktuelleren konkreten Anlässe für mögliche Vorlagen des BVerfG liegen auf der Hand: Vorratsdaten, EP-Wahl, Terrordatei, EZB.
Man hätte die Vorratsdaten-RL dem EuGH vorlegen können, schon um die Reichweite der eigenen Jurisdiktion klären zu lassen. Dass Zweifel an der Grundrechtskonformität der RL bestehen, hat sich ja hinreichend gezeigt.
Auch die Entscheidung über die 5%-Sperrklausel bei EP-Wahlen hätte man zum Anlass nehmen können, um sich über den Charakter der EP-Wahlen und des EP zu vergewissern, anstatt dazu eigene Theorien aufzustellen.
Bei der Terrordatei-Entscheidung hätte es besonders nahe gelegen, statt – die Ultra vires-Keule schwingend – Mutmaßungen über die Reichweite von Åkerberg Fransson anzustellen schlicht vorzulegen, mit der Frage: „Meint Ihr das wirklich ernst?“

Besonders bedenklich erscheinen uns übrigens Hinweise aus dem ESM/EZB-Verfahren, denen zufolge das BVerfG zwar bei der sog. Ultra-vires-Kontrolle nach wie vor eine eigene Vorlage an den EuGH für erforderlich hält, nicht aber bei der sog. Identitätskontrolle. Hier besteht womöglich ein Missverständnis über die Bedeutung des Art. 4 EUV als Grundlage, Ermächtigungsrahmen und damit Begrenzung einer solchen „Identitätskontrolle“. Wir erinnern an Art. 344 AEUV: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.“ Damit sind unilaterale Gerichtsentscheidungen, die die Anwendung des Unionsrechts beschädigen, nicht vereinbar, sie können zu Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik führen. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten.

Es gibt also schon in der Vergangenheit für das BVerfG Beispiele für mögliche Vorlagekonstellationen. Man muss es eben wollen, und bis auf weiteres scheint es daran dann doch beim BVerfG zu fehlen. Man will nicht oder schafft es nicht, zu wollen – auch wenn die Vorlagebereitschaft in Urteilen wie in Interviews behauptet wird. Das ist auch deswegen ein Fehler, weil man damit die Chance versäumt, auf die Rspr. des EuGH Einfluss zu nehmen.

Der größte Teil unseres Beitrages besteht darin, die französische Sicht auf die erste Vorlage des Conseil constitutionnel mitzuteilen. Wenn namhafte französische Verfassungsrechtler wie D. Rousseau das in Bezug zum BVerfG und seiner Nichtvorlagepraxis setzen, dann ist das ein Aspekt der Außenansicht, den man zur Kenntnis nehmen kann. Aus Sicht unserer Nachbarn „nervt“ das BVerfG, wir denken uns das nicht aus. Man sieht es andernorts vielfach als weiteren Ausdruck einer deutschen Übermacht, nach der Ökonomie (Euro) und der Popkultur (Champions League). Das sollte man wissen, und über diese Wahrnehmung im Ausland unterrichtet unser Beitrag auch.

Und im übrigen, an alle Trolle:
http://www.youtube.com/watch?v=gznDOMKeWkA


Viewing all articles
Browse latest Browse all 42